Kloster Gethsemani

Nachtwache

Wer unsere Tagesordnung liest, erschrickt vielleicht oder wundert sich zumindest: »Was, vor vier Uhr fangen die schon zu beten an?!«

Mondnacht

Stimmt, wir fangen um 3.45 Uhr mit der Vigil an, dem nächtlichen Stundengebet. Und die meisten Schwestern sind sogar vorher schon eine Zeitlang im Oratorium, um still zu beten und zu meditieren. Dieses nächtliche Gebet ist uns sehr wichtig!


»Christus hat uns nicht das bequeme Leben versprochen. Aber er zeigt uns den Weg zum Großen, zum Guten, zum richtigen Menschenleben.«

(Papst Benedikt XVI.)

Natürlich - man braucht Zeit, um sich an den neuen Rhythmus zu gewöhnen - aber für die Anfänger wird das auch großzügig geregelt. Und wir schlafen ja nicht weniger, sondern nur zu einer anderen Zeit. Außerdem ist solch ein regelmäßiger Rhythmus im Grunde sehr gesund. Wieviele Menschen müssen dagegen sogar in Nachtschicht arbeiten!


»Des Nachts steigt das Gebet reiner und freier empor«

(Bernhard von Clairvaux)

Wie viele große Beter vor uns, so haben auch wir die Erfahrung gemacht, dass die Nacht eine besonders gute Zeit für das Gebet ist. Das hat natürlich damit zu tun, dass unser Kloster sehr ruhig liegt und die Nacht sehr still ist. Aber auch unser Herz ist noch frei von all den Eindrücken, die der Tag mit sich bringen wird und lässt sich leichter auf Gott hin sammeln.


»In deinem Wind. In deinem Licht. Wie gering alles andere, wie klein wir - und glücklich in dem, was allein groß ist.«

(Dag Hammarskjöld)

Auch die Natur stimmt uns ein in die Anbetung des Schöpfers, wenn sich der nächtliche Sternenhimmel funkelnd über dem Donnersberg wölbt oder das Mondlicht die Landschaft überirdisch verklärt.

Morgenstimmung

Und während wir den Morgen in Gebet, Lesung und Meditation verbringen, erwacht der Tag: Der Horizont wird langsam heller und färbt sich im Morgenrot; die aufgehende Sonne überschüttet den Buchenwald am Berghang mit rotgoldenem Licht und lässt ihn aufleuchten wie das himmlische Jerusalem. Die Vögel beginnen zu singen, und ein leichter Morgenwind bringt die Blätter der Bäume zum Rauschen. Es ist wirklich oft, als würden wir den ersten Schöpfungsmorgen miterleben!


»Des Nachts gehen wir zur Quelle...«

(Frère Roger, Taizé)

Wenn wir so vor dem Tag aufstehen, gehen wir mit einer ganz anderen Haltung in den Tag: Der Tag überfällt uns nicht; wir können gelassen erwarten, was kommt.

Brunnen bei Nacht

Denn wir haben uns die Zeit genommen, aus den Quellen der Kontemplation zu schöpfen und von daher alles zurechtzurücken: Menschen und Dinge haben den Wert, den sie in den Augen Gottes haben. Und was bleibt, ist das, was aus Liebe getan wird.


»Jesus verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott.«

(Lukasevangelium 6,12)

Die Christen haben von Anfang an in der Nacht gebetet. Das große Vorbild dafür war Jesus selbst. Er verbrachte viele Nächte im Gebet - nicht nur, um Kraft zu schöpfen für die Verkündigung des Reiches Gottes, sondern einfach auch, um seinem geliebten Vater nahe zu sein. Dasselbe gilt für uns: Es zieht uns hin zu dem, dem unsere große Liebe gehört. Schon in diesem Leben suchen wir die Gelegenheit, Ihm nahe zu sein und uns in der Offenheit und Wachsamkeit zu üben, damit wir Ihn auch in unserem Alltag finden.

Schwester bei der Nachtwache

Für die Mönche war wichtig, dass sie möglichst viel Zeit Gott weihen wollten, auch einen Teil der Nacht. Deshalb gehörte die Nachtwache von Anfang an zum Mönchtum. Die Mönche wollten immer bereit sein, wie es in der Regel des heiligen Benedikt (Kapitel 22,6) heißt. Dabei dachten sie an das Wort Jesu: Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft (Lukasevangelium 22,35-36).


»Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?«

(Matthäusevangelium 26,40)

Diese traurige Frage Jesu an seine Jünger erschüttert uns immer wieder. Gerade dann, wenn wir einmal müde sind und uns das Beten schwerfällt, steht uns die Szene am Ölberg vor Augen: Jesus, der sich von Gott und den Menschen verlassen fühlt und doch an seinem Entschluss festhält, uns zu erlösen, obwohl er weiß, was ihn das kosten wird.


»Bis ans Ende der Welt wird die Todesangst Jesu dauern - nicht schlafen darf man bis dahin...«

(Blaise Pascal)

So wollen wir wenigstens diese eine Stunde am Tag an der Seite Jesu sein und an der Seite aller Menschen, die auch heute leiden.

Schmerzensmann

Denn die Nacht verbirgt viel Böses, viel Leid und Schuld. Deshalb gehört unser Gebet auch denen, die krank und verzweifelt sind, die im Sterben liegen, die erniedrigt, gequält und umgebracht werden.


»Dies ist die Nacht, da Christus die Fesseln des Todes zerbrach und aus der Tiefe emporstieg als Sieger«

(Osterlob der Kirche)

Die Nacht birgt aber auch Hoffnung. Wenn die Nacht am dunkelsten ist, beginnt der Morgen zu grauen. Es hat eine tiefe Bedeutung, dass Christus, der Retter, in der Nacht geboren wurde, und auch, dass er am Ende der Nacht von den Toten auferstand.

Dadurch sind Leid, Schuld und Tod endgültig überwunden, so mächtig das Böse auch scheinen mag. Deshalb feiern wir nach Anbetung, Vigil und Lectio, die Laudes, das Morgenlob, in Erinnerung an die Auferstehung Christi. Das führt uns hin zum Höhepunkt des Tages: die Begegnung mit Christus in der Eucharistie.


»Es gibt nichts Schöneres, als von Christus gefunden zu werden. Es gibt nichts Schöneres, als ihn zu kennen und anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken.«

(Papst Benedikt XVI.)