Kloster Gethsemani

Neues

Eine neue Ordnung für eine neue Welt: die Seligpreisungen

Jesus steigt vom Berg herab und verkündet Gottes Ordnung, die im Widerspruch zu jeder menschlichen Vorstellung steht. Er spricht vier Seligpreisungen und vier Weherufe aus. Jeder Seligpreisung stelllt er eine Warnung gegenüber: Selig, ihr Armen - aber weh euch, die ihr reich seid! Selig euch, die ihr jetzt weint - weh euch, die ihr jetzt lacht!

Jesus stellt die menschliche Logik auf den Kopf. Seine paradoxen Aussagen enthalten scheinbare Widersprüche, die aber eine Auflösung auf einer höheren Ebene finden. Die Seligpreisungen fordern eine Umwertung jener Werte, die für die Existenz in dieser Welt erstrebenswert scheinen. Sie sind keine moralische Unterweisung, keine Ethik. Es geht hier um eine tiefere Schicht. Die Seligpreisungen zeigen uns, dass das Leben im Grunde paradox ist, dass die Extreme, die äußersten Enden sich berühren.

Letztendlich kann weniger mehr bedeuten. Wie unsere Gründerväter sagen: "Unser Reichtum ist unsere Armut. "Arm mit Christus zu sein, um damit leer und frei für Gott zu werden. Das ist das Sinnerfüllendste und Beglückendste, das sich niemals in die Abenteuer- und Unterhaltungsangebote dieser Welt einreihen lässt. Jesus stellt den Spielregeln unserer Welt eine andere Welt entgegen. Es geht darum, uns nicht einzuordnen unter die Satten und Sicheren, die in sich selbst verschlossen sind. Jesus macht aus der Armut eine Metapher des Offenseins für Gott und für andere Menschen.

Ähnlich gilt dies auch im geistlichen Sinne: Man soll nicht selbstsicher wie die Satten und Reichen in sich selbst verschlossen sein - und sich behäbig einrichten in Fraglosigkeit und Selbstgefälligkeit. Damit wird jede weitere Suche aufgegeben, und wir versperren uns den Blick ins Weite. Wir müssen Suchende bleiben! Die frühen Mönchsväter betonen, dass wir immer den Geist eines Anfängers bewahren müssen. Um wirklich glücklich zu sein, braucht man eine betimmte Art von Lebenseinstellung - und die beschreibt Jesus in den Seligpreisungen.

Wir werden selig gepriesen, wenn wir weinen. Das ist menschlich gesehen Unsinn. Das ist kaum nachvollziehbar. Oder?

Der Wagemut, der Mut zum Leiden, das ist es, worauf es hier ankommt. Es gilt, das Leiden anzunehmen, das Schicksal zu bejahen, sich ihm zu stellen. Wir wollen das Leid nicht suchen oder verherrlichen, sondern lernen, es zu akzeptieren, damit es hilfreich und segensreich werden kann. Wer das Leiden ausklammert, reduziert den Menschen. Paul Claudel schreibt: "Wer nicht leidet, an dem hat das Leben seine Arbeit unterbrochen." Leben und Tod, Freude und Leid kennzeichnen unser Dasein. Und wer sich in seinem Herzen seine Armseligkeit und Traurigkeit eingesteht, wird sensibel für die Not der anderen. Er kann viel verständnisvoller und barmherziger sein, als wenn er seine Tränen hinunterschluckt, sein Leid wegdrückt oder mit Zynismus überspielt.

Die Satten, die Reichen, die Lachenden werden diese Chance vertun. Sie werden niemals wissen, wie verzweifelt Menschen sein können. Die Verzweifelten aber wissen, dass sie nur leben können durch Verständnis, Güte und Barmherzigkeit. Sie wissen, wie sehr ein jeder Gott braucht. Aufgeschlossenheit, Aufmerksamkeit, Feinfühigkeit, all diese Fähigkeiten sind die Ausrüstung, die wir brauchen, um den Seligpreisungen zu entsprechen.

(Predigt von Dom Chris am 17.2.2019 zu Lukas 6,17.20-26)