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Weihnachten 1993 in Tibhirirne
"Dies ist ein Haus des Friedens, noch nie hat es jemand bewaffnet betreten. Wenn Sie mit uns sprechen wollen, kommen Sie herein, aber lassen Sie Ihre Waffen draußen."
Mit diesen Worten reagierte Bruder Christian, der Obere der Trappisten von Tibhirine in Algerien, auf den Überfall eines islamistischen Kommandos in der Weihnachtsnacht 1993. Und unerschrocken bestand er darauf, dass er und seine Mitbrüder sich nicht dazu zwingen lassen würden, die Islamisten zu unterstützen. Schließlich wies er sie darauf hin, dass Weihnachten sei:
"In dieser Nacht feiern wir die Geburt Jesu, der der Sohn Marias und der Fürst des Friedens ist." Da entschuldigte sich der Anführer des Kommandos: "Das wussten wir nicht. Wir gehen - aber wir kommen wieder!"
1996 kamen sie wieder und entführten die Mönche, die einige Monate später unter bis heute ungeklärten Umständen umgebracht wurden.
Dabei wollten unsere Mitbrüder im Kloster Tibhirine eigentlich nur als "Beter unter Betern" in Algerien leben und sich zusammen mit ihren muslimischen Nachbarn das Lebensnotwendige erarbeiten. Trotz aller Verschiedenheit war den Brüdern eines gemeinsam: die Liebe zum Land Algerien und seinen Menschen und die Hochachtung vor ihrer Religion, dem Islam. Gegen ihren Willen wurden sie in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in die gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Regierung und islamischen Fundamentalisten hineingezogen. Sie nannten die einen ihre "Brüder aus der Ebene" und die anderen ihre "Brüder aus den Bergen".
Bruder Christian, der Obere der Gemeinschaft, sagte: "Wir haben uns geweigert, Partei zu ergreifen; nicht um uns in eine Neutralität zu flüchten, die sich die Hände wäscht - das ist unmöglich - sondern um frei zu bleiben, alle zu lieben."
Diese Haltung teilten sie mit den anderen Ordensleuten, die damals in Algerien geblieben waren. Insgesamt 19 von ihnen wurden damals ermordet, darunter der Bischof von Oran, Pierre Claverie, mit seinem muslimischen Fahrer. Am 8. Dezember wurden die 19 in Oran als Märtyrer selig gesprochen.
"Märtyrer ... das ist hier ein so zweideutiges Wort", hatte Bruder Michel von Tibhirine in einem Brief geschrieben, und seine Mitbrüder teilten seine Skepsis. Sie hatten miterlebt, wie oft allzu schnell Menschen, die ermordet worden waren, zu politischen oder religiösen "Märtyrern" erklärt wurden.
Die Mönche nahmen das Wort "Märtyrer" in seiner ursprünglichen Bedeutung, nämlich "Zeuge": Der christliche Märtyrer ist Zeuge für die Existenz Gottes, für seine Größe, seine Liebe und Treue; und er steht mit seinem ganzen Leben, "bis zum letzten Blutstropfen", dafür ein. Dann ist der tatsächliche gewaltsame Tod nur die Krönung eines Lebens, das als Geschenk von Gott empfangen und wieder Gott und den Menschen hingegeben war. So hatte es Bruder Christian in seinem geistlichen Testament formuliert.
Und Bischof Claverie hatte vor seiner Ermordung 1996 in einer Predigt gesagt: "Sein Leben hinzugeben, ist nicht nur eine Forderung an Mönche oder Märtyrer. Wir alle sind aufgerufen, Märtyrer zu werden - Zeugnis abzulegen dafür, dass uns das Leben geschenkt ist."
Jesus Christus ist d e r Märtyrer, der uns mit seinem ganzen Leben, bis zum Tod am Kreuz, die Liebe Gottes zu den Menschen bezeugte und den Vater um Vergebung bat für die, die ihn töteten. Vergebung und Feindesliebe gehören darum zum wahren Märtyrer.
Bischof Claverie rief alle Christen zu diesem Zeugnis auf: "Wo ist der Ort der Kirche Jesu Christi, sein Leib, wenn nicht zuerst dort, wo Menschen leiden. diskriminiert und gefoltert werden? Die Lebendigkeit der Kirche, ihre Fruchtbarkeit und ihre Hoffnung hat dort, in der Nähe des Kreuzes, ihren Nährboden und ihre Wurzeln. Liebe, nichts als Liebe ist das Kriterium ihrer Wirksamkeit."